Selbstverständnis für eine Stadtteilinitiative

Hier der - abgelehnte - Entwurf eines Selbstverständnis für die Stadtteilinitiative "Soziales Netzwerk". Wir bringen das Thema Krankheit mit rein und ihr könnt uns, den MFE Leipzig, auch beim Netzwerk erreichen (siehe Kontakt).

Selbstverständnis soziales Netzwerk Leipzig

 

Einleitung

 

Wenn wir gemeinsam gegen Unterdrückung und Ausbeutung vorgehen, können wir viel mehr erreichen, als wenn jeder auf sich allein gestellt ist; und auch sie kommen ja zu uns, weil sie nicht alleine mit ihrem Problem dastehen wollen. Solidarität ist die stärkste Waffe, die wir gegen die Kapitalistenklasse und ihre Handlanger haben. Deswegen „solidarisches Netzwerk“. Die Widersprüche des kapitalistischen Produktions und Verwertungszusammenhanges können in unterschiedlichen Erscheinungen auftreten. Konfliktpunkte können Arbeitgeber, Jobcenter, Vermieter, Hausarzt*,sozialpsychiatrischer Dienst oder Millionen andere Angelegenheiten sein. Wir wollen gegen Autoritäten des und im Dienste des Kapitals mit öffentlichem Druck (z.B.Flyer verteilen, go-ins, Spontankundgebungen) und, wenn angebracht,auch rechtlich vorgehen; wobei wir uns insbesondere die rechtliche Basis erst noch kollektiv aneignen müssen. Allgemein gilt, wir sind kein Dienstleister bzw. Service, sondern wir wollen, wie vorhin schon erwähnt, gemeinschaftliche Prozesse in Gang setzen und nicht nur an der Oberfläche von dem Kratzen, was hier falsch läuft. Deswegen wünschen wir uns, daß sie, die zu uns kommen, sich hier auch mit einbringen, auf die eine oder andere Art. Wirklich befreiende Veränderungen geschehen nur, wenn wir uns kennenlernen und gegenseitig unterstützen.

 

Vertiefung

 

Vereinzelt können uns die Sachwalter des Kapitals leicht zu Objekten degradieren, die lediglich ihrer Profitmaximierung dienlich sind,sei es als Ware Arbeitskraft, sei es als Konsumenten von Gütern und Dienstleistungen. Zusammen können wir die Erfahrung machen, daß wir alle diesen Objektstatus haben, aber auch, daß wir uns als bewußt handelnde Subjekte dagegen wehren und die gemachte Realität verändern können und zwar schon jetzt, nicht erst „wenn mal eine Revolution kommt“.Willst du einen Revolutionär sehen, schaue in den Spiegel. 

 

 

Wir leben in einer Welt, in der die vermeintliche Einheit der Gesellschaft durch die Gleichsetzung und den Austausch von Ware gegen Arbeitskraft bzw. Ware gegen Geld definiert ist (durch den Tauschwert). Es zeigt sich aber, daß dies keine wirkliche Einheit ist, u.a. da die Arbeitgeber (Besitzer von Produktionsmitteln) einen erheblichen Teil des erarbeiteten gesellschaftlichen Reichtums als Mehrwert abschöpfen und den Arbeitnehmern nur so viel zahlen, wie sie durch die politischen Vorgaben und durch sozialen Druck gezwungen sind. Wir bewegen uns in einem Umfeld der Ungleichheit und des Mangels, sowohl in materieller Sicht, als auch, dadurch bedingt, eines Mangels in den sozialen Beziehungen. Hand in Hand mit diesem Mangel geht der zur Erlangung und Sicherung von Wohlstand und sozialer Anerkennung erforderliche Wettbewerb, der  Solidarität untergräbt. Wir könnten uns anders entscheiden, aber das ist alles andere als einfach. Dies deswegen, weil das gesellschaftliche Sein das Bewußtsein bestimmt. Mit anderen Worten, wir sind stark durch die oben beschriebenen, vom Tauschwert dominierten, ökonomischen  Vorgaben und von der dadurch entstehenden inneren und äußeren Spaltung geprägt. Erziehung, Schule,Lehre, Universitäten und besonders die medizinischen Normen (sogenannte Gesundheit als Fähigkeit fremdbestimmte Lohnarbeit zuleisten)sind Beförderer dieses Entfremdungsprozesses. Wenn wir etwas verändern wollen, müssen wir uns dieser Prägungen, dieser in der Regel unhinterfragten, kulturellen Leitlinien gemeinsam bewußt werden. Dies, damit wir uns vollkommen im Klaren sind, auf welchem Terrain wir uns bewegen und nicht die irrtümliche Ansicht entsteht, daß die im letzten Absatz erwähnten Konflikte mit Institutionen, Kapitalisten, Ärzten und anderen repressiven Kräften, Einzelfälle wären, und es reichen würde, sich darauf zu beschränken – dies kann nicht oft genug betont werden. Sie sind nur Beispiele dessen, was wir tagtäglich erleben, sowohl im sogenannten privaten als auch im öffentlichen Bereich. 

 

Das alles führt im Großen beispielsweise dazu, daß wir unsere Lebensgrundlage die Natur zerstören, zu Hunger-Elend-Massensterben(Mord!) für Milliarden, zu Aufrüstung-Spannungen oder Kriegen auf jedem Erdteil, und die Gefahr eines Atomkrieges besteht immer noch. Der Gegenentwurf zu der nach dem Tauschwert ausgerichteten Aneignungsgesellschaft, in der Privatbesitz über alles andere gestellt wird, ist die Produktionsgesellschaft. Hier werden Dinge in gemeinschaftlicher Organisation und für die Gemeinschaft, und an den echten Bedürfnissen d.h. an dem Gebrauchswert orientiert, hergestellt. Ein Stückweit können wir mit unseren solidarischen Aktivitäten diese Utopie schon jetzt realisieren, in der statt Konkurrenz und Mißtrauen das Wohl aller im Vordergrund steh

 

Warum Theorie und klassenkämpferische Rethorik

 

Die Sprache ist auch ein Medium und eine Waffe des Klassenkampfes. Die Wirklichkeit, die wir erkennen und verändern wollen, müßen wir erst einmal in einer dafür geeigneten Sprache erfassen.Diese Sprache formt die Zukunft vor. Nicht zufällig formen auch Kapitalisten und ihre Agenten die Sprache, um ihre Ziele zu erreichen. So nennen sie Rückschritte in vergangene Zeiten und Beschneidungungen von Bürgerrechten „Reformen“ und Kriegseinsätze „humanitäre Interventionen“. Gleichzeitig wird jede konsequent antikapitalistische Argumentationsweise durch den Dreck gezogen, bzw. gleich als unwissenschaftlich verworfen. Die Eliten und ihre Vertreter in Institutionen und Medien meinen, politisches Handeln sollte auf Einzelfälle und Teilaspekte beschränkt bleiben. Eine Einordnung von sozialen Mißständen in einen größeren sozialen Kontext darf nicht stattfinden und wird als Totalitarismus diffamiert.

 

Für uns macht es einen großen Unterschied, ob wir nur zum Jobcenter oder zu anderen Repressionsorganen gehen, um uns gegen ihren Klassenkampf von oben zu wehren, oder ob wir dies zusätzlich auch angemessenen  begründen. Eine Strategie der Arbeitgeber/ Kapitalisten ist schon lange, Konflikte als individuelle Problemlagen zu bezeichenen und hier und da Zugeständnisse zu machen, aber den gesellschaftlichen Gesamtzusammenhang und die strukturelle Unterdrückung zu leugnen. Dies war und ist eines der Instrumente, um den Lohnabhängigen allgemein/ Beschäftigten eines Betriebes das Bewußtsein ihrer gemeinsamen Identität zu rauben und Klassengegensätze zu verwässern** (siehe auch:Herbert Markuse „Der eindimensionale Mensch“***). In diesem Sinne kann ein Sieg gegen das Jobcenter im Resultat so aussehen, daß das Sozialgericht, die Politik und auch die ARGE selber in der Position sind, zu behaupten, letztendlich wird Gerechtigkeit wiederhergestellt, wenn Mensch seine Rechte in Anspruch nimmt. Es fällt dabei unter den Tisch, daß das Jobcenter massiv und massenhaft gegen die rechtlichen Vorgaben verstößt und dabei schon miteinkalkuliert, daß sich die Kunden vielleicht in 10% der Fälle wehren und Recht bekommen. Unter dem Strich macht die ARGE dadurch ein großes Plus und schickaniert und stresst Bedürftige, die dann oftmals bereit sind, jeden noch so schlecht bezahlten Job anzunehmen. Ganz zu Schweigen von der Tatsache, daß es für knapp 3 Millionen offiziell Arbeitslose und wesentlich mehr nicht gemeldete Arbeitslose oder nur in Minijobs etc. Beschäftigten nur 660000 freie Stellen gibt, weil Unternehmer und Aktionäre wachsende Profite einkassieren, anstatt mit einem Teil des Geldes neue Stellen zuschaffen und die Arbeitnehmer, sowie die herausrationalisierten Arbeitslosen an ihren Profiten zu beteiligen. Es geht um den Tauschwert der Lohnabhängigen, und dieser wird durch die Agenda 2010 gedrückt.

 

Die Aufgabe der typischen Sozialarbeit ist es, den von dieser Politik am heftigsten Betroffenen zu helfen, um einen Anstieg der Kriminalität oder Aufstände zu verhindern. Die Systematik, welche Menschen in einem der reichsten Staaten der Erde in Existenznöte bringt, darf nicht thematisiert werden. Wir wollen keine Sozialarbeit machen, sondern auch die Hintergründe thematisieren, die Tabu sind. 

 

 

*Wir erfahren die Widersprüche des Systems als Krankheit, oft in Form von Leiden, wir können aber auch, statt zum Arzt zu gehen, das progressive Moment von Krankheit entfalten, d.h. den Protest in der Krankheit entwickeln; z.B. angenommen sie haben chronische Bauchschmerzen, weil ihr Arbeitsvermittler ihnen das Arbeitslosengeld gekürzt hat. Wir gehen zusammen dagegen vor und möglicherweise werden die Bauchschmerzen, oder auch Symptome von anderen Teilnehmern,von der gemeinsamen Aktion abgelöst, Leiden verwandelt sich in Protest.Sie brauchen dann nicht mehr zum Arzt zu gehen, der ihnen Pillen verschrieben hätte, an denen die  Pharmaindustrie reich wird. Pillen, die vorübergehend das Symptom unterdrücken, ihnen ansonsten aber schaden. Siehe http://www.spkpfh.de/ Es ist noch zu erwähnen, daß auch hier der Prozess wichtiger ist, als das Ergebnis, genau andersherum, wie beim Arzt.

 

**Um beim Beispiel von ALG2 zu bleiben: Dem Aktivisten Ralf Boes wurden, obwohl er wiederholt gegen die Vereinbarungen mit dem Jobcenterverstoßen hatte, alle Sanktionen erlassen und auch für die Zukunft wurde ihm freie Hand gewährt. Natürlich handelte es sich hier nicht um eine Grundsatzentscheidung, sondern um eine Ausnahme. Boes lehnte aber diesen Befriedungsversuch ab http://grundrechte-brandbrief.de/BUKA-Film-Ziviler-Widerstand.htm

 

***http://www.ecoglobe.ch/politics/d/odmattac.htm